Angst – und nu??

2. März 2020 0 Von Eva Hoffmann

Ich schwitze.
Ich zittere.
Ich bekomme ne Gänsehaut.
Ich laufe rot an.
Oder werde kalkweiß.
Ich stottere.

Angst ist ätzend. Machen wir uns nichts vor. Niemand von uns hat gern Angst. Obwohl es eine völlig normale und gute Reaktion ist. Ja klar – bei nem Horrorfilm gruseln wir uns ganz gern mal. Und in einer Achterbahn erleben wir kontrollierte Angst, die wir aktiv ausgesucht haben.

Aber genau das ist eben der Unterschied. Begebe ich mich ganz bewusst in eine Situation, die normalerweise angstauslösend ist? Oder “fällt” sie mich einfach so “an”?

Unsere biologische Reaktion ist gleich. Der Körper reagiert mit der Ausschüttung von Stresshormonen und die führen zu oben genannten Reaktionen. Ätzend.

Natürlich hat Angst evolutionär gesehen einen hohen Schutzcharakter. Wenn ich einen Säbelzahntiger hinter dem Busch stehen sehe, dann ist Angst schon sinnvoll. Wenn ich zu weit auf´s offene Meer rausschwimme und es sich “komisch im Nacken” anfühlt, dann ist das ne gute Warnung.
Nur leider ist die Angst vor einer kleinen Spinne im Wohnzimmer nicht mehr sinnvoll. Oder die Angst vorm Zugfahren. Oder vor anderen Menschen. Oder vor Aufzügen. Oder oder oder. Sucht euch was euch. Menschen haben vor allen möglichen Dingen oder Situationen Angst.
Eine ursprünglich gute Reaktion wird auf Momente übertragen, in denen sie völlig unnötig oder sogar schädlich ist.

Und wie gehen wir damit um?
Genau wie vor tausenden Jahren haben wir grundlegend zwei Möglichkeiten:
Fight or flight
Wir können Situationen vermeiden, die uns Angst machen. Das wäre “flight” – also die Flucht.
Dann steig ich eben nicht mehr in ein Flugzeug ein. Dann geh ich eben nicht mehr zu Großveranstaltungen. Dann nehm ich eben immer die Treppe – ist eh gesünder. Dann bleib ich abends zu Hause, weil es dunkel draußen ist. Das Ergebnis ist ein Leben ohne Angst. Eben weil ich die Situationen meide, die mir Angst machen. Es ist aber auch ein Leben ohne Möglichkeiten. Ich schränke mich immer weiter ein. Mein Leben wird enger und ständig stärker kontrolliert. Ich kann DAS nicht und werde DAS meiden. Ich enge mich ein. Ständig mehr – um nur keine Angst mehr zu erleben.
Die andere Variante ist “fight” – also der Kampf.
Da frage ich mich: “Ist die Angst sinnvoll?” Und wenn es eine unsinnige Angst ist, dann werde ich mich ihr stellen. Den Stier bei den Hörnern packen.
Natürlich bedeutet das, dass ich in dem Moment die Angst erleben werde – volle Kanone sogar. Aber es bedeutet auch, dass ich meinem Gehirn die Möglichkeit gebe, zu lernen, dass Angst gar nicht nötig ist und dass ich der Situation gewachsen bin. Mein Leben bleibt offen mit vielen Möglichkeiten, weil ich der Angst nicht das Ruder überlasse.

In jeder Situation, die uns Angst macht, müssen wir uns also fragen:
Fight – Werde ich kämpfen? Mich der Angst stellen? Möglichkeiten bewahren oder schaffen? Neugierig bleiben? Bleibe ich der Handelnde in meinem Leben?
Flight – werde ich Angst vermeiden mit der Konsequenz, dass mein Leben immer enger wird? Lasse ich die Angst ans Ruder? Lasse ich die Angst mein Leben bestimmen?

Ich habe mich – ganz bewusst – gestern einer meiner größten Ängste gestellt. Wenn ich zu Hause eine Spinne sehe, dann rufe ich für gewöhnlich: “Schahaaaatz??!!”
Gestern besuchten wir eine Reptilienausstellung – und es gab die Möglichkeit, neben Schlangen und Leguanen, auch Vogelspinnen auf die Hand zu nehmen. Alles in mir schrie: “Lauf weg! Die wird dich auffressen!” Ich schwitzte, ich zitterte, mein Herzschlag ging rauf, ätzend.
Aber ich hab beschlossen, dass sich diese Chance nicht so schnell wieder bieten würde und bin über diese Angst weggetrampelt. Ich hatte das Tierchen auf der Hand. Unglaublich – und wenn ich heute drüber nachdenke, dann kommt mir das unreal vor. Natürlich werden Spinnen sicherlich nie meine Lieblingshaustiere werden – aber mein Gehirn hatte einmal die Chance, zu lernen, dass dieses haarige Monster mich wohl eher nicht vernichten wird. Gar kein Interesse dran hat. Die Angst vor allem mit mehr als 6 Beinen ist heute nicht weg. Aber ich hab es einmal überlebt – das schenkt mir Hoffnung.

Meine Frage an dich ist folgende:

Möchtest du der Angst das Sagen überlassen?

Oder möchtest du dein Leben selbst leben?

Leben! Und nicht leben lassen! Das ist meine Entscheidung. Deine auch?